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Interview mit Monika Kolb zum Fachkräftemangel

Dem mediacampus frankfurt ist es als einer der ersten Privatschulen gelungen, den neuen, branchenübergreifenden und attraktiven Beruf «Kauffrau/-mann im E-Commerce» als Berufsschullehrgang für Unternehmen aus dem ganzen Bundesgebiet anzubieten. Wie ist es Ihnen gelungen, für diesen Ausbildungsgang eine Schulgenehmigung zu erhalten?

Ja, seit Dezember 2022 liegt uns die offizielle Schulgenehmigung für diesen innovativen Ausbildungsberuf vor. Das ist in unterschiedlicher Hinsicht eine großartige Bestätigung unseres Schulangebotes, denn die Kultusministerien haben bundesweit entschieden, nur einer sehr begrenzten Zahl an Berufsschulen die Beschulung dieses Berufes zu ermöglichen. In Hessen beispielsweise gibt es aktuell nur zwei Berufsschulen, die diesen Ausbildungsgang anbieten dürfen. Beide Berufsschulen liegen in Regionen fernab der Ballungsgebiete. Auszubildende müssen aber mehrfach pro Jahr zum Blockunterricht anreisen, was in diesen Fällen der nicht zentral gelegenen Berufsschulen organisatorisch und finanziell eine nicht ganz einfache Herausforderung für Unternehmen und Auszubildende ist.

Als private Berufsschule hat der mediacampus frankfurt mehr Freiheit, Lerninhalte und Schulabläufe zu organisieren als staatliche Berufsschulen. Das Lernziel ist aber bei beiden Schulformen identisch und auch die Anforderungen und Genehmigungsverfahren der staatlichen Schulämter gelten gleichermaßen. Der mediacampus frankfurt verfügt über eine umfassende Schulgenehmigung, die alle kaufmännischen Berufe umfasst. Mit dieser Einordnung mussten wir keinen Neuantrag für die E-Commerce Kaufleute, sondern «nur» einen Erweiterungsantrag stellen. Mit unserem innovativen Schulkonzept und unseren qualifizierten Dozent:innen überzeugten wir unser Schulamt in Frankfurt und haben sowohl die pädagogische als auch die strukturelle Befähigung ausgesprochen bekommen, diesen zusätzlichen Ausbildungsgang – und dann noch im Ballungsgebiet Frankfurt – branchenübergreifend anzubieten. Darauf sind wir sehr stolz und freuen uns natürlich!

Der Ausbildungsberuf «Kauffrau/-mann im E-Commerce» vermittelt vielfältige Kompetenzen, über die Mitarbeitende und Teams zur Etablierung einer E-Commerce-Strategie verfügen müssen. Welche Kompetenzen werden konkret beschult und wie werden sie am mediacampus frankfurt vermittelt?

Die benötigten Kompetenzen und Anforderungen sind vielfältig. Es wird ein technisches und rechtliches Grundverständnis in Fragen der digitalen Welt benötigt, vor allem aber ein tiefreichendes Prozessverständnis, wie Kund:innen über den gesamten Informations- und Kauflebenszyklus gewonnen, begeistert und gebunden werden können und wie im besten Fall alle Kommunikations- und Verkaufskanäle zusammen gedacht und mit einem hohen Synergieverständnis umgesetzt werden können. Omnichannel ist schon Gegenwart und ihm gehört die Zukunft – alle Verkaufskanäle interagieren miteinander. Um diese ganzheitliche Strategie umzusetzen, werden dringend Mitarbeiter:innen gesucht, die Kund:innenprofile erstellen und zielgruppenbezogene Kund:innenansprachen entwickeln können. Sie müssen in der Online-Welt Sortimente gestalten und sowohl das klassische Marketing als auch die Online-Marketingwelt verstehen, verbinden und bespielen können. Natürlich sind kaufmännische Kompetenzen und mehr als in manchen anderen Berufen vielfältige Methodenkompetenzen, wie Projektmanagement, agile Arbeitsmethoden und Kommunikationsstärke, auch ohne direkten Kundenkontakt, gefragt.

Auffallend ist, dass es – gemessen an den hohen bundesweiten Ausbildungszahlen – nicht viele Fachklassen für Kaufleute im E-Commerce in den Bundesländern gibt. Viele Auszubildende werden im Berufsgruppenprinzip beschult (verschiedene Berufe werden in einer gemeinsamen Klasse beschult). Welche Konsequenzen hat diese Entwicklung für Unternehmen und welchen Nutzen bietet der mediacampus frankfurt an dieser Stelle?

Diese Berufsausbildung startete vom ersten Jahr an (August 2018) mit hohen Ausbildungszahlen. Pro Jahr werden ca. 1.500–1.700 neue Ausbildungsverträge über die unterschiedlichen Branchen hinweg geschlossen. Das unterstreicht die Attraktivität des Berufsbildes. Da die Kultusministerien im ersten Schritt nur wenige Berufsschulen zur Beschulung ausgewählt haben, folgt deren neue Schulstrategie: die Berufsschulstandorte neu zu ordnen und auch andere, weniger belebte Regionen zu stärken. Für die Unternehmen bedeutet dies häufig, dass sie ihre Auszubildenden grundsätzlich mehrfach pro Jahr an die jeweiligen, etwas entlegeneren Standorte entsenden und selbständig für Übernachtung/Verpflegung usw. sorgen müssen. Das kostet zeitliche und finanzielle Ressourcen.Auch für die Ausbildung am mediacampus entsenden die Unternehmen ihre Auszubildenden nach Frankfurt. Auch bei uns fallen Kosten an. Jedoch überzeugt unser Modell mit einer Vollversorgung von Beschulung, Unterkunft und Verpflegung in der Wirtschaftlichkeitsbetrachtung mit vielfältigen Vorteilen.

Unser klarer USP ist unser «Rundum-Sorglos-Paket», das wir den Unternehmen und Auszubildenden anbieten. Unsere Auszubildende wohnen zusammen in Wohngruppen im dazugehörigen Internatsbetrieb, unsere Mensa sorgt für eine schmackhafte, ausgewogene und nahrhafte Vollverpflegung. Die Auszubildenden essen, lernen – und ja, sie feiern – auch gemeinsam. Mit 65.000 Übernachtungen pro Jahr und – nach heutigem Stand – ab 2024 über 650 Auszubildenden pro Jahr (pro Block sind ca. 130 Auszubildende am Campus) gehören wir zu den großen privaten Berufsschulen im kaufmännischen Bereich.

Unsere Dozent:innen haben Praxiserfahrung und bringen ein vielfältiges Fachwissen mit. Sie überzeugen mit ihren Unterrichtsmethoden und ihrem praxisnahen Unterricht. Digitales Lernen und digitale Lernmethoden gehören zum festen Instrumentenkoffer und ermöglichen den Auszubildenden individuelles Lernen und Üben. Unsere Lern-App bietet dazu spielerisches Lernen vor und zwischen den beiden Blöcken. Und genau diese zeitliche Struktur erleichtert vielen Unternehmen die Planung der betrieblichen Ausbildung. In zwei mehrwöchigen Blöcken, plus Vorbereitungs- und Projektvertiefungswochen, absolvieren die Auszubildenden ihre Berufsschulpflicht und werden in diesem Zeithorizont bestens auf die Prüfungen vorbereitet.

Für die Unternehmen und die Auszubildenden bedeutet dies keinen organisatorischen Mehraufwand für die Planung, eine deutlich höhere betriebliche Anwesenheitszeit, kalkulierbare Kosten und motivierte Auszubildende. Diese können in den Präsenzphasen nicht nur eine gemeinsame Lernerfahrung machen, sondern auch im sozialen Miteinander und der Persönlichkeitsentwicklung gestärkt und gefordert werden.

An welche Unternehmen richtet sich Ihr Berufsschulangebot oder anders gefragt: Welchen Mehrwert haben Unternehmen, die junge Menschen als «Kauffrau/-mann im E-Commerce» ausbilden?

Das Besondere an diesem Berufsbild ist, dass es einen Bedarf in nahezu jeder Branche gibt. Überall dort, wo Unternehmen eine direkte und indirekte Kund:innenansprache im Fokus haben, Kund:innen an jedem Punkt des Lebenszyklus erreichen und gewinnen und Beziehungen professionalisieren und ausbauen möchten, werden diese Kompetenzen und Fähigkeiten gebraucht. Ausgebildete Fachkräfte, die den E-Commerce mit all seinen Facetten und Anforderungen kennen, sind in sämtlichen Handelsunternehmen, der Reisebranche, bei Automobilunternehmen, Banken, Industrieunternehmen sowie jungen Start-ups nachgefragt.

In der Buchbranche haben wir in der Coronazeit erlebt, dass der E-Commerce und vor allem auch ein professionell umgesetzter Omnichannel, die Kund:innenbeziehungen gestärkt und intensiviert haben. E-Commerce und Omnichannel-Strategien gehören zur Gegenwart und Buchhandlungen wie Verlage perfektionieren ihre Markt- und Positionierungsstrategien. Und das geht nur mit ausgebildeten Fach- und Führungskräften.

An diesem Wissen, diesen Fähigkeiten mangelt es in den meisten Unternehmen. Aus diesem Grund sind sie gefordert, junge Menschen entsprechend aus- und weiterzubilden. Die Ausbildung und die dazugehörige Aufstiegsfortbildung als Fachwirt:in im E-Commerce fördert dies in bester Weise.

Ein schöner und willkommener Nebeneffekt ist, dass sich die Unternehmen alleine durch die Ausschreibung als modernes und zukunftsfähiges Unternehmen am Bewerber:innenmarkt positionieren.

Der mediacampus frankfurt bietet die Beschulung der E-Commerce Kaufleute auch im Abiturientenmodell an. Wie konkret ist hier der Ablauf und für welche Unternehmen und Auszubildende ist das ein sinnvolles Angebot? Und welche Chancen sehen Sie in der Qualifizierung eigener Mitarbeiter:innen?

Wir erleben gegenwärtig große Engpässe bei der Besetzung von Fach- und Führungspositionen. Im Bereich des E-Commerce und des Omnichannels gibt es derzeit überhaupt keine Fach- und Führungskräfte am Markt. Der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Hier kann eindeutig von einem Fachkräftemangel gesprochen werden. Schauen wir in die nahe Zukunft, wird sich dieser negative Trend nicht nur fortsetzen, sondern durch demographische Effekte dramatisch steigern. Der einzige und wirklich sinnvolle Weg ist es, Fach- und Führungskräfte durch die eigene Aus- und Fortbildung zu qualifizieren. Unser Abiturientenmodell ist ein weiteres Recruiting- und Positionierungsinstrument, das es Unternehmen in kurzer Zeit – innerhalb von drei Jahren – ermöglicht, E-Commerce- und Omnichannel-Expert:innen mit Führungskompetenz auszubilden. Im Abiturientenmodell erreichen die jungen Menschen drei Abschlüsse in dieser kurzen Zeit: Einen IHK-Abschluss als «Kauffrau/-mann im E-Commerce», die Ausbildereignungsprüfung und den Abschluss der Aufstiegsfortbildung als «Fachwirt:in im E-Commerce».

Ein unbedingt erwähnenswerter Vorteil ist, dass auf diesem Weg hochqualifizierte junge Menschen in die Unternehmen kommen, sie völlig neue Kompetenzen mitbringen und es auf diesem Weg leichter gelingt, relevante Veränderungsprozesse anzustoßen.

Nicht vergessen werden darf die Chance der Fortbildung eigener Potential- und Leistungsträger:innen in den Unternehmen selbst! Talente und bewährte Kolleg:innen aus den eigenen Reihen zu entwickeln, fördert und steigert die Mitarbeiter:innenbindung und ist ein großartiger Beitrag für deren Motivation. So gestalten und entwickeln Betriebe ihre Unternehmenskultur weiter und sorgen dafür, dass heute und morgen Menschen gerne im Unternehmen arbeiten.

Für viele Unternehmen ist die finanzielle Belastung für Aus- und Weiterbildung nicht einfach zu stemmen. Gibt es aktuelle und zukünftige Fördermöglichkeiten, die ihnen eine finanzielle Unterstützung bieten?

Der mediacampus frankfurt ist Mitglied im Verband «Weiterbildung Hessen e.V.». Durch den Erhalt des damit verbundenen Qualitätssiegels und der AZAV-Zertifizierung, können Schüler:innen und Kursteilnehmer:innen am Campus von Aufstiegs-BAföG, Bildungsurlaub oder einer Förderung durch die Arbeitsagentur profitieren. Daneben greifen auch Zuschüsse für private Berufsschulen. Als «Schule besonderer Prägung» wurde der mediacampus in die Ersatzschulfinanzierung des Landes Hessen einbezogen, weshalb Auszubildende in einigen Bundesländern Zuschüsse der Landesverbände, des Schulträgers und der Kultusministerien erhalten. Zudem wird im April 2024 das Weiterbildungsgesetz in Kraft treten, mit dem es möglich sein wird, verschiedene Förderungen als Arbeitgeber zu beantragen. Beispielsweise die Einführung eines Qualifizierungsentgeltes als Lohnersatz oder die Mobilitätsprämie.